In der deutschen Politik haben Gründer kaum noch eine Lobby

Immer weniger Menschen machen sich selbstständig

Der erst kürzlich veröffentlichte Sachstandsbericht der Bundesregierung zum Gründungszuschuss wirft viele Fragen auf und macht die widersprüchlichen Aussagen der Politik deutlich.

CDU/CSU und SPD haben vor der Wahl angekündigt, das Gründungsklima verbessern zu wollen. Doch seit vier Jahren sinkt die Zahl der gewerblichen Gründungen stetig. So lagen sie im ersten Halbjahr 2013 noch bei 174.000. Im darauffolgenden Halbjahr sanken diese jedoch um 9.900, auf 164.100 Unternehmensgründungen. Dies belegen die aktuellen Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM). Die Politik belässt es bei Absichtserklärungen, die Gründerkultur in Deutschland zu stärken. Konkrete Strategien oder Maßnahmen hierzu bleiben aber bisher aus.

Eine Bestandsaufnahme

Bis Ende 2011 bestand für Unternehmensgründer aus der Arbeitslosigkeit ein Anspruch auf Förderung mittels Gründungszuschuss. Der Gründungszuschuss hat die Funktion Gründern aus der Arbeitslosigkeit heraus finanziell unter die Arme zu greifen und deren anfänglichen finanziellen Engpässe für den eigenen Lebensunterhalt Sorge zu tragen zu überbrücken. Durch die Umwandlung der Leistung in eine Ermessensleistung lehnt die Bundesagentur für Arbeit Anträge seit Anfang 2012 regelmäßig ab. Dies führte damit zu einem Rückgang der Bewilligungen von bis zu 85 % in den letzten zwei Jahren. Im Dezember 2014 wurde nun ein Tiefstand der Antragsbewilligungen erreicht. Aus den von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass 25 Prozent weniger Anträge zum Gründungszuschuss bewilligt wurden, als im Dezember des Jahres zuvor.

Keine Strategie

Mitnahmeeffekte sollten verringert und Chancengründungen gefördert werden – das war die Kernaussage der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Sie das „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ vorgelegt hatte. Nun bestätigt der Sachstandsbericht, dass das Beschriebene nicht jedoch im Fokus stand sondern haushälterische Sparvorgaben durchgesetzt werden sollten. Es sollten die Ausgaben für die Gründerförderung von 1,9 Milliarden Euro im Jahr auf unter 500 Millionen Euro gesenkt werden. Letzteres ist in jedem Fall gelungen, wie der Bericht bestätigt. Im Jahr 2014 gaben Arbeitsagenturen und Jobcenter nur noch 315 Millionen Euro dafür aus. Ebenso stark sank die Zahl der Geförderten: Waren 2010 noch 146.500 Arbeitslose neu ins Gründerprogramm eingestiegen, waren es 2012 nur noch 20.300. Im Jahr 2014 hat sich die Zahl leicht auf 31.500 erhöht.

Auch die Erreichung des vorgetragenen Ziels der effizienteren Mittelvergabe lässt zweifeln. Mehr als 57 Prozent der Geförderten gaben an, dass sie sich auch ohne die Hilfe selbständig gemacht hätten. Das sind 10 Prozentpunkte mehr als vor der Reform. Weitere 22 Prozent gaben sogar an, sie hätten sich nur arbeitslos gemeldet, um den Zuschuss zu erhalten. Interessant ist auch zu sehen, dass nur noch ein Bruchteil derer, die zu Gründern werden, die Hilfe nutzt: Einst machten 62 Prozent der vorher arbeitslosen Gründer davon Gebrauch, nun sind es noch 22 Prozent. Die Bürokratische Hürden sowie mangelnde Gründerkompetenz bei Arbeitsvermittlern scheinen Barrieren zu sein. Arbeitslose haben derzeit keinen Rechtsanspruch auf Förderung mehr. Nur der Arbeitsvermittler kann eine Fortsetzung der Förderung bewilligen.

Der Widerspruch

Der damals nicht ausgesprochene Spar- und Kürzungswille ist monetär in Gänze eingetreten – die Förderausgaben gingen rapide zurück. Der damals eigentlich propagierte Zweck des effizienteren Einsetzens von Förderungsmitteln ist kolossal gescheitert.

Nach 19 Monaten beschäftigen ca. 1/3 der Existenzgründer durch ihre Selbstständigkeit unmittelbar mindestens einen Mitarbeiter und im Schnitt hat jeder Gründer zwei Vollzeitmitarbeiter (Durchschnitt Ost-/ Westdeutschland; Frau/ Mann). Darüber hinaus gibt es keine fundierten Nachweise, dass bei der Erfolgsbeurteilung ein Unterschied zwischen Not- und Chancengründung gemacht werden sollte. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ( IAB ) hätten 45% der Befragten sich nicht ohne den Gründerzuschuss (GZ) selbstständig gemacht. Ebenso interessant ist, dass knapp 47% die Gründung zwar ohne den Gründungszuschuss gewagt hätten, jedoch 19% rückwirkend betrachtet feststellen, dass sie ohne den Gründungszuschuss das erste halbe Jahr nicht überstanden hätten.

Faktencheck: das Gründerland Deutschland wird propagiert, die Zahlenlage sieht anders aus

– Im Jahr 2014 wurden rund 124.000 Betriebe neu gegründet, was jedoch 3,7% weniger als im Vorjahr sind
– Die neugegründeten Kleinunternehmen gingen um 11,5% auf rund 211.000 zurück
– Neugründungen von Nebenerwerbsbetrieben lagen im Jahr 2014 mit 251.000 0,9% über dem Vorjahreswert
– Die Anzahl der Gewerbeabmeldungen sank zum Vorjahr um 0,4% auf ca. 693.000, wobei hierunter auch Betriebsübergaben, Umwandlungen und Fortzüge zu fassen sind
– Der Rücklauf der Unternehmensgründungen wird auch nur zu einem geringen Teil durch den Anstieg der Nebenerwerbsgründungen kompensiert, da diese meist keine Arbeitsplätze schaffen bzw. nur einen geringen Anteil zur Stärkung des Wettbewerbstandortes Deutschland haben.

Fazit

Der Gründungszuschuss kann ein überaus effektives Mittel sein, um die Gründungskultur zu unterstützen und zu stärken. Gerade eine sichere Finanzierung des Unternehmensaufbaus in der Startphase, ist entscheidend für die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Regelmäßig werden rechtswidrige Ablehnungsbescheide durch die Gerichte festgestellt und machen auch dadurch den unhaltbaren Zustand der aktuellen Rechtslage deutlich. Durch die nicht durchdachten fehlehrhaften politische Entscheidungen bleiben viele Ideen und Unternehmen auf der Strecke.

Somit bleibt festzuhalten, dass die Politik es über Legislaturperioden hinweg nicht geschafft hat, gründerfreundliche Rahmenbedingen zu schaffen. Der Wegfall des Gründungszuschusses als Pflichtleistung ist immer noch deutlich spürbar und wird trotz Ankündigungen der Großen Koalition durch keine signifikanten Maßnahmen kompensiert.

Den Statusbericht der Bundesregierung können Sie in Gänze hier nachlesen: Bericht der Bundesregierung

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