Selbstständigkeit unter Druck: Wirtschaftsverbände rufen Politik zum Handeln auf

Die Zahl der Selbstständigen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren um 14 Prozent gesunken, die Gründungszahlen sogar um rund 20 Prozent. Dieser doppelte Rückgang verdeutlicht eine alarmierende Entwicklung: Unternehmerisches Engagement verliert zunehmend an Boden – mit spürbaren Konsequenzen für die Innovationskraft, die Wettbewerbsfähigkeit und das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands. Wenn immer weniger Menschen ein Unternehmen gründen oder sich selbstständig machen, fehlt es nicht nur an Ideenvielfalt und wirtschaftlicher Dynamik, sondern auch an stabiben Säulen für Beschäftigung, Wertschöpfung und die langfristige Zukunftssicherung des Landes.

Um auf diese besorgniserregenden Entwicklungen aufmerksam zu machen und Lösungsansätze zu präsentieren, hat sich eine Allianz von Wirtschaftsverbänden gebildet, die gemeinsam über eine Million Selbstständige in Deutschland repräsentiert. Inmitten der aktuellen Koalitionsverhandlungen hat diese Allianz den direkten Dialog mit den Koalitionären aus CDU/CSU und SPD gesucht.

Aus diesem Grund fand heute ein parlamentarisches Frühstück in der parlamentarischen Gesellschaft in Berlin statt, bei dem sich Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaftsverbände mit den Verhandlungsparteien über ihre Forderungen austauschten. Ziel des Treffens war es, die Anliegen der Selbstständigen in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen und notwendige Reformen anzustoßen. Unter den politischen Gästen befanden sich unter anderem Gitta Connemann und Dr. Carsten Brodesser.

Jan Schmelzle, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Franchiseverbandes: „Mitten in den Koalitionsverhandlungen war das heutige Parlamentarische Frühstück eine starke Gelegenheit, die Anliegen von Unternehmern und Selbständigen sichtbar zu machen – darunter auch die von Franchiseunternehmen, die mehr als 11 Prozent aller Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland stellen. Gemeinsam mit einer breiten Verbändeallianz und im Austausch mit Abgeordneten wie Gitta Connemann und Dr. Carsten Brodesser haben wir die Perspektive des Franchisings eingebracht und verdeutlicht, welchen Beitrag franchisebasiertes Unternehmertum zur wirtschaftlichen Stabilität und Vielfalt leistet. Jetzt kommt es darauf an, dass die Koalitionsverhandlungen diesen Beitrag anerkennen – und den Mut zeigen, Unternehmertum verlässlich und zukunftsfest zu stärken.“

Die gemeinsamen Forderungen der Wirtschaftsverbände

Die Allianz fordert dringend eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Selbstständige. Die Kernforderungen, die aktuell in einem gemeinschaftlichen Positionspapier zusammengetragen wurden, umfassen:

  1. Altersvorsorgepflicht: Gründerinnen und Gründer sollten mindestens drei Jahre von der Pflicht zur Altersvorsorge ausgenommen bleiben, um den unternehmerischen Start zu erleichtern.
  2. GKV-Beiträge: Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollten einkommensbezogen erhoben werden, um eine Überlastung in der kritischen Gründungsphase – aktuell bis zu 60 Prozent der Einnahmen – zu vermeiden.
  3. Sozialbeiträge: Eine gleichberechtigte Beitragsbemessung ist notwendig, um die derzeit um 20 Prozent höhere Belastung von Selbstständigen im Vergleich zu Arbeitnehmern zu beseitigen.
  4. Mutterschutz für Selbstständige: Ein nachhaltig finanziertes und praktikables Modell muss sicherstellen, dass selbstständige Frauen nicht benachteiligt werden, wenn Auftraggeber vor und nach der Geburt wegfallen.
  5. Definition von Selbstständigkeit: Eine starre Definition mittels Positivkriterien wird abgelehnt, da sie den vielfältigen Branchen und Tätigkeiten nicht gerecht wird.
  6. Existenzgründungsstrategie: Eine ganzheitliche Strategie zur Förderung aller Gründungsformen ist essenziell – für wirtschaftliches Wachstum, Infrastruktur und Arbeitsplätze.
  7. Existenzförderungsgesetz (ExistföG): Neben dem ERP-Gründerkredit und dem EXIST-Gründerstipendium fordern die Verbände eine dritte Säule zur finanziellen Absicherung in der kritischen Startphase.


Die Verbände appellieren an die politischen Entscheidungsträger, die Rahmenbedingungen für Selbstständige und Gründerinnen sowie Gründer deutlich zu verbessern. Ohne ein starkes Unternehmertum und eine lebendige Gründungskultur droht Deutschland Innovationskraft und wirtschaftliche Stabilität einzubüßen. Eine zeitnahe Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen ist daher essenziell, um die Abwärtsspirale zu durchbrechen und das Unternehmertum nachhaltig zu stärken.
                
Zu den Positionen der Verbändeallianz

Über die beteiligten Wirtschaftsverbände:

Seit über 55 Jahren setzt sich der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD) für die Interessen der Direktvertriebsunternehmen des privaten Konsumgüter- und Dienstleistungsbereichs ein. Die BDD-Mitglieder haben sich zur Einhaltung von Verhaltensstandards verpflichtet, die für ein faires Miteinander im Direktvertrieb sorgen. Im BDD sind über 40 Unternehmen organisiert, die ganz unterschiedliche Produkte bzw. Dienstleistungen verkaufen. Dazu gehören z. B. Haushaltswaren, Reinigungsmittel, Bauelemente, Getränke, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetik- und Schönheitsartikel, Schmuck, Heimtiernahrung sowie Energiedienstleistungen.

Der Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (BdS) ist als bundeseinheitlicher, auf die Systemgastronomie spezialisierter Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband die umfassende Interessenvertretung der Systemgastronomie in Deutschland. Sitz des Verbands ist in München. Daneben hat der BdS eine Hauptstadtrepräsentanz direkt vor den Toren der Bundespolitik. Ehrenamtlicher Präsident des BdS ist seit Juli 2023 Matthias Kutzer, Personalvorstand McDonald’s Deutschland LLC. Ingo Gugisch, CPO bei L'Osteria, ist seit Oktober 2024 BdS-Vizepräsident. Hauptgeschäftsführer ist Markus Suchert.

CDH steht für Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb“ e. V. Als Spitzenverband repräsentiert die CDH fast 34.000 Handelsvermittlerbetriebe aller Branchen. Zu unseren Mitgliedern gehören vor allem Handelsvertretungen. Das sind selbständige Unternehmen, die Produkte zwischen Industriebetrieben, zwischen Industrie und Handel oder zwischen Groß- und Einzelhandel vermitteln. Offen steht die CDH aber auch für andere Unternehmen, die selbständig im Vertrieb tätig sind. Den Wirtschaftsverbänden der CDH gehören ebenso Industrievertretungen, Handelsagenturen, Vertragshändler, Vertriebsingenieurbüros, Merchandiser etc. an.

Der Deutsche Franchiseverband ist die wirtschaftspolitische Interessenvertretung des Geschäftsmodells Franchise in Deutschland und repräsentiert als Qualitätsgemeinschaft rund 450 Mitglieder aus etwa 25 verschiedenen Branchen – darunter Handel, Handwerk, Pflege, Gastronomie, Immobilienwirtschaft und Tourismus.  Insgesamt stehen die durch ihn vertretenen Franchisesysteme mit Ihren Franchisenehmern für rund 11 Prozent aller Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland. Diese meist mittelständisch geprägten Franchiseunternehmen beschäftigten 2023 mehr als 830.000 Mitarbeiter in über 190.000 Standorten und erwirtschafteten einen Umsatz von rund 150 Milliarden Euro.

Der VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. ist der Branchenverband der unabhängigen Finanz- und Versicherungsvermittlungsunternehmen mit Hauptsitz in Berlin. Als solcher vertritt VOTUM die Interessen seiner Mitglieder im Rahmen nationaler und europäischer Gesetzgebungsinitiativen und bietet eine Plattform zur perspektivischen Bewertung regulatorischer Rahmenbedingungen. An die VOTUM-Mitgliedsunternehmen sind rund 100.000 unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler angebunden. Die Mitarbeiter und Kooperationspartner unserer Mitglieder beraten über 11 Millionen Verbraucher zu Fragen der Absicherung im Alter, der Vermögensbildung und des maßgeschneiderten Versicherungsschutzes. Der Geschäftsführende Vorstand von VOTUM, RA Martin Klein, ist seit 2020 Chairman im europäischen Dachverband der unabhängigen Finanzberater und Finanzvermittler FECIF. FECIF setzt sich für eine wettbewerbsfähige Regulierung der europäischen Finanzdienstleister und marktfähige Standards der Branche in der Europäischen Union. Seit 2024 ist Klein zudem Chairman des CEN/TC Finance beim europäischen Komitee für Normung CEN.